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1. Leben auf dem Land im 19. Jahrhundert
Um sich eine Vorstellung von der Bevölkerungsverteilung machen zu können ist es wichtig zu wissen, dass der Anteil der auf dem Land und in Dörfern lebenden Menschen im Vergleich zu heute viel höher war. Fast die Hälfte der Menschen lebte und arbeitete auf dem Land. Ein paar Zahlen geben hier einen Eindruck: „(...) um 1800 arbeiteten 75 % der deutschen Bevölkerung auf dem Lande und in der Landwirtschaft, 1883 42 %, 1913 25,8%, 1950 13,5%“ (vgl. Hauptmeier, 1988:33).
Das Leben auf dem Land war in der Zeit vor der Industrialisierung ein feudal-bürgerliches und wurde von einer hierarchischen Ordnung bestimmt. Die Aufteilung von Besitz und Reichtum, das damit einhergehende Standesdenken beherrschten den Alltag. Grundbesitz entschied somit über die soziale Schicht und die Lebensverhältnisse, in welche man hineingeboren wurde.
An oberster Stelle der Ständehierarchie war die Oberschicht bzw. der Adel. Vor diesem stand zudem zeitweise die Monarchie. Diesem Stand gehörte ebenso der Klerus an, welcher, wie der Adel seine Privilegien über Erbschaft und Abstammung erhielt und weitergeben konnte. Der 2. Stand, das Bürgertum, genoss spezielle Privilegien und bediente vor allem Handel und Gewerbe. Der Bauer, Landarbeiter, Handwerker und andere Dienstleistende der Dorfgemeinde, gehörten zum 3. Stand. Diese Schicht machte mit einem Viertel bis einem Drittel der Gesamtbevölkerung den größte Anteil aus.
Durch den Bevölkerungsanstieg seit dem 15. Jahrhundert verbesserte sich die Situation für die Landbevölkerung erst einmal nicht und die besitzlose Unterschicht musste sich als Tagelöhner und Landarbeiter verdingen. Eine weitere Möglichkeit der Sicherung des Einkommens war z. B. das häusliche Gewerbe, wobei in erster Linie für die ländliche Bevölkerung, für das Dorf, vor allem Textilien produziert wurden. Was an Überschuss vorhanden war ging zum Verkauf in die Städte. Es lässt sich jedoch feststellen, dass die Bevölkerung auf dem Land bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts noch hauptsächlich aus bäuerlichen Familien mit Grundbesitz bestand, aus welchem sie vorwiegend ihren Lebensunterhalt selbst erwirtschafteten. Besitz und Grundrechte lagen vor allem in den Händen der Oberschicht und dem Adel.
Der Lebensstandard der Bauern und Landbevölkerung im Allgemeinen war in der vorindustriellen Zeit vor allem durch Armut und existentiellem Überlebenskampf gekennzeichnet. Mit dem Anstieg der Bevölkerung seit der frühen Neuzeit, den generell schlechteren Produktions- und Lebensbedingungen und den daraus resultierenden Hungersnöten und Epidemien waren die Lebensbedingungen für die Menschen, speziell auf dem Land, schwer. Erst mit dem technischen Fortschritt und dem Einsatz von Maschinen in der Landwirtschaft konnte die Produktivität erhöht und dadurch der Lebensstandard für viele verbessert werden.
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