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2.1.2 Arbeitsalltag
Der Alltag auf dem Land gründete sich im Besonderen auf Arbeit. Die Arbeit bestimmte den Tagesablauf und das Zusammenleben. Eine agrarische Wirtschafts- und Lebensweise war für die Landbevölkerung von zentraler Bedeutung und war auch, wie Kurt Wagner in Leben auf dem Lande im Wandel der Industrialisierung schreibt, „in der Phase der gesamtgesellschaftlich fortschreitenden Industrialisierung und der damit einhergehenden Trennung von Produktions- und Wohnstätte noch von einer Einheit des Wirtschaftens, Wohnens und Lebens gekennzeichnet“ (Wagner 1986:157). Der Haushalt, der wesentliche Kern dieser Einheit führte alle am Arbeitsprozess beteiligten zusammen. Hier wurde zusammengearbeitet und zusammengelebt. Um einen reibungslosen Ablauf der Arbeit zu gewährleisten musste der Tagesablauf durch klare Arbeitsaufteilung genau strukturiert werden. Um die Menge der Aufgaben und anfallenden Arbeiten zu bewältigen, die über den ganzen Tag anfielen, wurden diese nach der hierarchischen Gliederung der Arbeitskräfte, entsprechend verteilt.
Der Haushalt war, ebenso wie die Gesellschaft im 19. Jahrhundert, geprägt durch eine patriarchal-hierarchische Kultur. Das Familienoberhaupt oder der Haushaltsvorstand hatte das Wort und die oberste Befehlsgewalt. Die Bauersfrau auf dem Bauernhof stand an seiner Seite und konnte im innerhäuslichen Bereich die Aufgaben verteilen und das Arbeitspensum bestimmen. Sie war eine Autorität für die Mägde und hatte zudem die Aufgabe der Erziehung, nicht nur ihrer eigenen Kinder sondern auch die des Gesindes zu übernehmen.
Die Arbeit auf dem Hof war je nach Hofgröße und Art des landwirtschaftlichen Betriebes umfangreicher und bedurfte zum Teil vieler Hilfskräfte. So konnten neben dem Gesinde auch Tagelöhner tageweise angestellt werden und zum Beispiel bei der Ernte helfen. Für die täglich anfallenden Arbeiten war es jedoch meistens unerlässlich Gesinde anzustellen, da der Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und auch nach Feierabend mit Arbeit gefüllt war.
„Stallfütterung und Milchwirtschaft erforderten eine ständige Anwesenheit der Arbeitenden und konnten deshalb nicht an Taglöhnerinnen und Taglöhner vergeben werden (...) Für die dreimal anfallende Fütterung des Viehs, das zweimalige Melken und das Ausmisten sowie das morgendliche Einholen des Klees war es daher auf großen Höfen im Hinterland notwendig, familienfremdes Gesinde einzustellen, zu ‚dingen’“ (Werner 1996:292).
Ein anderes wichtiges Merkmal der Arbeitsteilung war nicht nur die nach hierarchische Ordnung sondern die Aufteilung der Arbeit nach Geschlecht, das galt für alle Gruppen der Hierarchie. Die Arbeit auf dem Hof war geteilt in Männer- und Frauenarbeit. Die Frau war vor allem für innerhäuslichen Tätigkeiten und der Mann für jegliche Arbeit auf Hof und Feld zuständig. Auch das Gesinde teilte sich grob in diese zwei Arbeitsbereiche. Ingeborg Weber-Kellermann stellt jedoch in Landleben im 19. Jahrhundert heraus, dass Frauen auch mit in die männlichen Arbeitsbereiche gingen, was umgekehrt nur vereinzelt und äußerst selten vorkam. Feldarbeiten und andere körperlich anspruchsvolle Aufgaben konnten den Frauen ebenso zugemutet werden. Jedoch blieben die Arbeitsbereiche Kochen und Handarbeit wie Arbeiten im Stall rein „weibliche“ Tätigkeiten (vgl. Weber-Kellermann 1988:144 ff.).
Was dem Mann an Verantwortung für den Haushalt und den reibungslosen Ablauf der landwirtschaftlichen Produktion abverlangt wurde, erwartete man von der Frau an Flexibilität und Geschicklichkeit. Das Gesinde wiederum musste unter den Umständen der Abhängigkeit und Entmündigung mitunter die härteste Arbeit verrichten, die im Anspruch, mit dem Alter des Gesindes stieg.
Die Arbeits- und Lebensumstände wie auch die Bezahlung war der Zeit und den Gegebenheiten entsprechend einfach. So bedeutete die einjährige Dienstzeit bei einem Bauern permanente Dienstbereitschaft – unabhängig von Wetter, Jahreszeit, Hofgröße oder Wirtschaftsform – und einen geringen Lohn, der jedoch meist in Form von Naturalien ausbezahlt wurde, sprich Nahrung, Kleidung, Wohnen, manchmal kleine Gaben. Der Knecht verdiente im Gegensatz zur Magd meist ein Drittel bis zur Hälfte mehr an Geld und hatte mehr Verfügungsgewalt über seine wenige Freizeit (vgl. Weber
1985:9 ff).
Die Umstände eines Dienstbotendaseins, speziell das der Mägde, erwiesen sich als schwer. Das Gesinde wohnte bei der Bauernfamilie mit im Haushalt und auf engsten Raum zusammen. Mehrere Personen nutzten so zum Beispiel oft nur einen Raum als Wohn- und Arbeitsstätte. Man lebte mit mehreren Personen in einem Gebäude und teilte z. B. mit den Kinder der Bauernfamilie eine Kammer, oft auch ein Bett. Die Knechte wiederum schliefen beim Vieh im Stall, oder in einer Kammer über dem Kuhstall.
Das Gesinde besaß sehr wenig und bei Dienstbotenwechsel, welcher an bestimmten Tagen im Jahr geschah, bestand ihr Hab und Gut meist nur aus einem Bündel, einem Koffer oder einer Truhe. Die Kleidung wurde bei Dienstantritt manchmal vom Bauern gestellt und war meist dürftig. So besaß eine Magd, wie Therese Weber in Mägde beschreibt, „oft (...) nur wenige geflickte Arbeitskleider, [sie] hatten kaum Wäsche zum Wechseln (...) und gerade die Anschaffung von Schuhen stellte Mägde vor finanzielle Probleme“ (Weber 1985:23 f.).
Wie schon erwähnt, war die männliche Arbeit vor allem körperliche schwer, und bezog sich vor allem auf das Pflügen, Eggen, Säen und tragen von Lasten oder auf die landwirtschaftliche Viehwirtschaft mit allen Aufgaben. Frauen wurden ebenso in die „männlichen“ Arbeitsprozesse eingebunden und zum Teil schwere körperliche Arbeiten verrichtten (vgl. Wagner 1986:164). Sie hatten ihren Arbeitsbereich aber vor allem im innerhäuslichen Bereich:
„Das Haus war wie bereits erwähnt der Mittelpunkt der weiblichen Arbeitswelt. Hierzu zählten nicht nur die unmittelbar im Haus anfallenden Arbeiten, sondern auch der Garten und die Versorgung des Kleinviehs (Hühner, Gänse, Kaninchen). Typische Hausarbeiten waren das Vorbereiten der Mahlzeiten, kochen, abwaschen, putzen, Wäsche waschen, flicken, stopfen, Brot backen, Obst und Gemüse einkochen etc.“ (Wagner 1986:167).
Die Handarbeit gehörte zu einem wichtigen Teil der alltäglichen subsistenzwirtschaftlichen ländlichen Arbeit der Landbevölkerung. So wurde zum Beispiel noch im 18. und 19. Jahrhundert das Stricken von Männern und Frauen verrichtet. Die Handarbeit war allerdings eine gewerbliche Tätigkeit, die als Nebeneinkommen, in der weniger Arbeitsintensiven Winterzeit, eine wichtige Funktion erfüllte (vgl. Werner 1996:154).
Das Flachsbrechen und alle Arbeiten um den Flachs waren eine wesentliche Tätigkeit der Frauen (Bäuerinnen und Mägde) auf dem Land. Zur Arbeit mit Flachs gehörten viele Arbeitsschritte „’der Flachs geht neunmal durch des Menschen Hand, bis er ihn als Leinwand auf dem Leibe trägt’“(Weber-Kellerman 1987:186). Dazu gehörte das Spinnen und Weben, wobei auch im Gebiet Oberhessen die Männer handarbeiteten wie die Frauen und Mädchen. So schreibt Kerstin Werner, dass die Jungen im Winter spinnen was von den Frauen gleich verwebt wurde (vgl. Werner 1996:155).
Kinder wurden mit in den Arbeitsalltag eingebunden und mussten sehr früh Verantwortung und häusliche Pflichten übernehmen. Die vorzeitige Übertragung von Aufgaben diente vor allem dazu Kinder schon von Anfang an auf das Erwachsenenleben vorzubereiten. Ein weiterer Grund war die Notwendigkeit der kindlichen Arbeitskraft um den Hof oder die Existenz zu sichern. Weber-Kellermamnn schreibt dazu „(...) das die Kinderjahre der Vorbereitung und Einübung der bäuerlichen Arbeitstechniken und des Bauernwissens gewidmet waren“ (Weber-Kellermann 1987: 248). Zu den Tätigkeiten die Kinder übernehmen mussten gehörten z.B. neben Feldarbeiten wie Jäten, Rübenhacken und Kartoffellesen auch das Beerenpflücken oder Kräutersammeln, aber vor allem das Viehhüten. Für Kinder aller sozialen Schichten gehörte das Hüten zu den „Regeln des Jahresablaufs“ (Weber-Kellermann 1987:253). Mit sieben, neun oder elf Jahren waren Kinder meist schon früh alleine unterwegs, auf sich gestellt und in eine oft nicht freiwillige Selbstständigkeit gestoßen.
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